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Projektdaten:

  • Titel: Vorlesen ist besser als Nachlesen
  • Bündnispartner 1: Schiller-Bibliothek, Müllerstraße 149, 13353 Berlin (Wedding)
  • Bündnispartner 2: Kreatives Schreiben e.V., Seestraße 98, 13353 Berlin (Wedding)
  • Bündnispartner 3: Friedrich-Bödecker-Kreis im Land Berlin e. V., Falckensteinstraße 34, 10997 Berlin
  • Autorenpate: Der Autor und Vorleser Frank Sorge ist 1977 in Berlin geboren und hat dort Germanistik, Philosophie und Klassische Archäologie studiert. 2003 gründete er mit anderen Autoren die wöchentliche Lesebühne ‚Brauseboys’. Als Lesebühnenautor ist man oft mehrfach die Woche auf kleinen und größeren Bühnen, und macht das Vorlesen selbst zur wichtigsten Stütze des Schreibens. Die Werkstatt ist dazu gedacht, die Erfahrungen aus vielen hundert Lesungen zu teilen.
  • Zeitraum: 15.10.2022 - 30.11.2022
  • Format: Modul 3 (kurzzeitig)
  • Ort: Berlin
  • Bundesland: Berlin
 

Downloads zur Autorenpatenschaft Nr. 414


Über den nachfolgenden Link können Sie sich das Buch mit den Projektergebnissen nach Fertigstellung als PDF runterladen. Zur Ansicht wird ein PDF Reader benötigt.

Download des Buchs (PDF)

Für diese Maßnahme ist auf Grund der kurzen Dauer keine Publikation vorgesehen. Texte und Bilder des Projektes findet Ihr weiter unten.

 

Projektbeschreibung

Wann wurde dir das letzte Mal etwas vorgelesen? Wann hast du das letzte Mal jemandem was vorgelesen? Nie? Dann wird es mal Zeit. Du hast Probleme beim Vorlesen? Umso besser, dann werden die Lösungen umso kreativer. An drei Tagen widmen wir uns dem Vorlesen, auf jede erdenkliche Art. Wir trainieren die Stimme, wir probieren Tricks, wir hören uns zu. Gemeinsam mit Autor*innen, die das Vorlesen ihrer Texte zum Alltag gemacht haben und alle Kniffe kennen. Wir lesen spannende Texte, wir lesen spannend Texte, es gibt nichts, was man nicht vorlesen kann. Was es nicht gibt, schreiben wir selbst.

 

Bilder

 

 

Texte der Autorenpatenschaft Nr. 414

Der Füller

Ich erbreche deinen Willen
Auf ausgebleichte Holzfibrillen
Die Silben klumpe ich zu Phrasen
Und forme aus dem blauen Wrasen
Ein breites, schmieriges Gedränge
Gepresst in die Quadratenränge
Ungezählter Seitensprünge
Auch akurat getrimmte Schwünge
Die deines Witzes würdig waren
Vermochte ich zu Blatt zu bringen
Und ihnen Sinn noch abzuringen
Nur selten noch bedarfst du meiner
Die Därme trocknen ein und kleiner
Und blaues Blut stockt zu Gerinnseln,
die Lettern zu abrupten Inseln
zerschneiden und meinen Nutzen
zu reinem Sentimentum stutzen
So harre ich am Mäppchengrunde,
zur solitären Endlosstunde
Und höre nur durch Filzes Dunkeln
das monotone Tastenmunkeln

Elena E.

Hausfriedensbruch

Hinter dem Haltestellenhäuschen, Nadelbäume. Viel zu hoch und halbnackt offenbaren sie eine Konstellation aus Holz, Fahrradteilen und Plastikplanen.

Ich trete ein und die vorbeirauschenden Autos bleiben in einem Spinnennetz aus Wollfäden hängen, vermengen sich dort mit dem Wind zu einer Kuppel aus leisem Rauschen.

An einem Ast zwei Meter über mir hängt ein Jutebeutel aus dem Pfandflaschen herausragen.

Ich verbleibe etwas länger und mir fällt auf, wie präzise alle Elemente ineinander greifen. Die Exaktheit mit der Seile gespannt wurden. Komplementäre Plattformen. Jemand hat Trittbretter an den Ästen befestigt, die am ehesten als Treppe dienen würden.

Ganz oben hängt ein Solarlampion und wirft einen sich warm in den tiefer schwebenden Lamettagirlanden reflektierenden Schein in den Baum. Ein paar Motten ruhen träge an seinem Stoff.

Gehe ich einen Schritt zur Seite, erkenne ich abgedeckte Sitzkissen in den Ästen, eine Kaffeetasse, eine zerbeulte Blechdose.

Christine H.

Hypervintage

In genau 1008 Jahren wird alles genau gleich bleiben. Die Hecken werden weiterhin wie zerzauste, drahtige Wesen in der Gegend stehen und die Mode wird wiedergekehrt sein. Wir werden wieder das tragen, was unsere Ahnen schon getragen haben. Hypervintage. Das sagt Kathi. Oder vielleicht auch nicht- vielleicht werden wir auch schon gestorben sein, deswegen sind die Bilder schon alle so vertraut. Bis an den Tellerrand, und dann wieder zurück - wie ein Boomrang. Es ist wahrscheinlicher, dass wir einfach gar nicht bestimmt sind, die Wahrheit zu sehen. Vielleicht müssten auch wir die sein, die einen Rückschritt machen. Am nächsten Donnerstag sitzen Kathi und ich auf ihrem rot- goldenen Fransenteppich, vom Wohnzimmer stibitzt, im unseren langen Kettenhemden, blonden Zopfperücken. Ich habe erst, als ich mir die Schuhe in ihrem Flur ausgezogen habe bemerkt, dass das alte europäische Mittelalter nicht die Vergangenheit meiner Ahnen war, sondern nur von Kathis. Meine Ahnen sind nicht so homogen. Menschen wie ich waren in der Vergangenheit nicht. So erklärungsbedürftig und verstrickt. Nicht, das es zählen würde. Ich gehöre ja hier hin.

Kathi sagt, dass ist ganz einfach – manche Dinge bleiben in unserer Gesellschaft eben als Konstanten. Ich tippe mir nervös auf die Hand – ich bin noch da. Ich frage mich, ob das Ritual jetzt besser funktionieren wird. Kathi schließt die Augen. Und ich vermute, dass sie auch die Augen unter ihren Augenlidern schließt - so mache ich das auch manchmal. Aber Kathi kann eben hellsehen und ich nicht. Das ist der Unterschied zwischen uns. Ich frage mich, wie das funktioniert. Wie alle um mich herum sind, und ich, Unterschied für Unterschied, betrachte alles und kann immer noch nichts. Ben kann fliegen, aber nur wenn niemand hinsieht. Aber er hat Fotos, auf denen er als Punkt im Himmel liegt. Und Kathi kann eben das.

Kathi sieht uns auf einem Feld. Wir sind zu dritt, im Hintergrund steht eine alte Burg.

Kathi: Das kann doch gar nicht sein. Gerade war's doch noch gar nicht so. Was ist hier falschgelaufen. Es gibt einen Fehler hier. Wer ist diese dritte Person? Kennst du die? Was macht die hier? Kathi schüttelt besorgt den Kopf. Unser Setup sei komplett falsch. Es gibt eine Unebenheit und die müssten wir vorerst bereinigen. So viel Aufwand, um eine spanische Orangenplantage im Jahr 3030 zu sehen. Vielleicht ist es ja auch meine Schuld. Kathi hat ja alles richtig gemacht. Vielleicht sollte ich das nächste Mal doch keine blonde Perücke aufziehen, denke ich. Kathi sagt auf jeden Fall, dass sie es jetzt aufgeben möchte. Sie wird nie sehen, wie lange es ihre Ahnenlinie schaffen wird. Vielleicht sollten wir auf die altbewährten Methoden vertrauen, erst mal fragen ob Kathi überhaupt Kinder kriegen wird. Keins bis eins bis sieben und ob auch wirklich mit ihrem Crush, dessen Namen sie mir nicht verraten möchte, aber dessen Name unter ihrem Ärmel mit einem Herz umrandet auf ihrem Arm hervorlukt. Wie lange magst du denn schon diesen William? Wer hat gesagt, dass es William ist? Hä? Aber wenn ja, was denkst du? Passen wir? Sie schwingt das Seil. Vier Kinder würden sie kriegen. Ob William und sie passen werden, hat sie noch gar nicht gefragt. Ich weiß nicht, ob William an ihr interessiert wäre – er ist ja schon zwei Jahre älter. Was denke ich bitteschön, wer ich sei – es stimmt wahrscheinlich wirklich, dass wegen mir das Ritual nicht funktioniert hat, es klappt nämlich sonst immer. Auch mit ihren anderen Freundinnen. Bloß halt nicht mit mir. Sie sieht mich eindringlich an - wen ich denn mögen würde? Außer meine Familie. Nicht mein Meerschweinchen. Ich schweige. Kathi mag das nicht. Mich wahrscheinlich auch nicht mehr. Aber das kann ich nicht wissen. Nur Kathi weiß das.

Taro W.

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