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Projektdaten:

  • Titel: Das große Haus am Fluss
  • Bündnispartner 1: Schillerhaus Rudolstadt, Schillerstraße 25, 07407 Rudolstadt
  • Bündnispartner 2: Soziokulturelles Zentrum saalgärten, Saalgärten 1B, 07407 Rudolstadt
  • Bündnispartner 3: Friedrich-Bödecker-Kreis in Thüringen e. V., Magdeburger Allee 4, 99086 Erfurt
  • Autorenpate: Stefan Petermann wuchs in Werdau auf. Er studierte an der Bauhaus Universität Weimar. 2009 erschien sein Debütroman Der Schlaf und das Flüstern. Für seinen Roman Das Gegenteil von Henry Sy erfand er die Hauptfigur auf Facebook. Aktuell ist der Geschichtenband Der weiße Globus. Seine Erzählungen nebenan, Der Zitronenfalter soll sein Maul halten und Die Angst des Wolfs vor dem Wolf wurden verfilmt. 2015 war er Stadtschreiber im oberösterreichischen Wels, die Texte erschienen im Band 24 Stunden Wels. Aktuell besucht und beschreibt er zusammen mit Yvonne Andrä für das Projekt Jenseits der Perlenkette die kleinsten Dörfer Thüringens. Er lebt in Weimar.
  • Zeitraum: 01.03.2019 - 30.09.2019
  • Format: Modul 2 (halbjährig)
  • Ort: Rudolstadt
  • Bundesland: Thüringen
 

Downloads und Presselinks zur Autorenpatenschaft Nr. 128


Über nachfolgende Links können Sie sich Pressemitteilungen anschauen und das Buch mit den Projektergebnissen nach Fertigstellung als PDF runterladen. Zur Ansicht wird ein PDF Reader benötigt.

Download des Buchs (PDF)

Autorenpatenschaft Nr. 128

Cover der Autorenpatenschaft Nr. 128

 

Projektbeschreibung

Wir wollen ein Haus bauen. Jede/r der Teilnehmer*innen wird in diesem Haus eine Wohnung beziehen – mit selbst erdachten Figuren: Familien, Alleinstehenden, Rentnern, Arbeitern, Studenten-WGs, Geflüchteten, eine Bürogemeinschaft, im Dachgeschoss vielleicht ein Atelier, im Keller der Hausmeister. Jede/r der Teilnehmer*in erschafft für seine/ihre Figur(en) Lebensgeschichten, die mit Prosaminiaturen in den ersten Treffen zum Leben erweckt werden.

Dann geschieht etwas: Die erdachten Figuren (und damit ihre Autor*innen) treffen aufeinander. Was geschieht, wenn sich der Rentner am Lärm der Studenten-WG stört? Der Hausmeister den Geflüchteten hilft? Oder gerade nicht? Eine Ehe in die Brüche geht und die anderen im Haus Partei beziehen müssen? Wenn sich die Alleinstehenden vorsichtig näher kommen? Wenn ein Hausdrachen alle gehen sich aufbringt? Oder sich zwischen zwei Jugendlichen in verschiedenen Etagen eine grenzenüberschreitende Romeo-und-Julia-Liebe entfacht? Dann müssen die Autor*innen in kleinen oder größeren Gruppen über den Fortgang der Geschichten entscheiden, dramaturgische Entscheidungen treffen, gemeinsam eine Sprache finden, dafür allein oder zusammen Texte schreiben.

Schließlich werden Ereignisse von außen das Leben der Mieter*innen beeinflussen: Ein Wasserschaden, ein unverhoffter Zuzug, ein Lottogewinn, der gemeinsam verteilt werden soll, aktuelle Ereignisse, auf die im Verbund reagiert werden muss.

Anhand von kleinen und großen Probleme sollen die Jugendlichen etwas über das Erzählen von Geschichten lernen und daran gesellschaftliche, aber auch private Fragestellungen diskutieren können und diese in ihre Texte einschreiben.

Mit Hilfe externer Künstler*innen sollen die Jugendlichen ihre Geschichten in anderen Formen erzählen können. Ein/e Zeichner*in wird Comicstrips mit den Jugendlichen schaffen. Am Ende soll mit einem Schauspieler eine gemeinsame Lesung erarbeitet werden. Dabei sollen die Jugendlichen lernen, das eigene Material zu bewerten, eine Auswahl zu treffen und bühnentauglich zu machen.

Das Haus soll bildlich erscheinen – an der Tafel gemalt, auf einem großen Papier der Umriss eines Gebäude und in jeder Etage die Menschen darin, ihre Geschichten.

 

Bilder

Für diese Autorenpatenschaft liegt uns leider kein digitales Bildmaterial vor. Schauen Sie doch mal in das entstandene Buch!

 

Texte der Autorenpatenschaft Nr. 128


Trixi. Unser Haus.

„Hey, wie war’s eigentlich auf diesem Schulausflug nach … ähm …? Wo wolltet Ihr noch gleich hin?“, fragt meine Mutter nach einiger Zeit der Stille.

Ich habe eigentlich nicht die Absicht, ihr zu antworten, da ich gerade nicht gut auf sie zu sprechen bin. Aber ich will ihr das nicht zeigen. Deshalb sage ich: „Wir sind nach Weimar ins Theater, und es war ganz ok.“ Sie schaut mich kurz skeptisch an und dann wieder auf die Straße. „Ganz ok?“, fragt sie weiter.

Sie merkt anscheinend nicht, dass ich die Autofahrt lieber schweigend hinter mich gebracht hätte. „Wie immer halt, nix Besonderes“, gebe ich zurück und damit breitet sich wieder Stille im Auto aus.

Mir ist klar, dass meine Mutter es nicht braucht, dass ich mich wie ein Kleinkind aufführe, das nicht umziehen will. Vor allem, weil mein Vater erst kürzlich für tot erklärt wurde, nachdem er spurlos verschwunden war.

Auch mich traf dieser Verlust, trotz der Tatsache, dass ich ihn nicht sehr gut kannte. Er kam nur über die Wochenenden vorbei. Manchmal war er auch mal eine Woche da. Er hatte früher eine Frau. Sie starb an einer Krankheit, als ich zwölf Jahre alt war. Danach kam er öfter zu uns. Aber wir durften nicht zu ihm in die Villa.

Aber was, wenn wir nach seinem Tod dort wohnen können? Was ja eigentlich gar nicht so schlecht wäre. Wenn ich nur nicht kurz vor meinem Abschluss stehen würde! Außerdem ist es schon blöd: Solange er lebte, durften wir nicht in seine Villa ziehen. Aber jetzt nach seinem Tod vielleicht schon.

Das ist einfach seltsam. Das Schlimmste aber ist, dass ich so kurz vor meinem Abschluss keine Freunde mehr finden würde. Ich meine, ich bin nicht gerade die Sozialste und Freunde zu finden fällt mir daher sehr schwer. Aber wie auch immer, ändern können würde ich es nicht.

Wir fahren in die Einfahrt eines riesigen Anwesens. Die Reifen knirschen über den Schotter. Schon von weitem kann ich die riesige alte Villa sehen. Als wir am Ende des Weges ankommen, sehen wir bereits ein weiteres Auto vor dem Eingang. Wahrscheinlich irgendwelche Familienmitglieder, die ebenfalls im Testament vorkommen.

Wir steigen aus, gehen die Treppenstufen hinauf durch die Tür und stehen in der Eingangshalle, in der nur ein Tisch mit einer Blumenvase ist. Und dort stehen schon die anderen.


Niklas. Die Bibliothek.

Die Kerze in meiner Hand flackert bei jeder Bewegung. Im Schein des Kerzenlichts steige ich die Treppen möglichst geräuschlos hinab. Die letzte Stufe überspringe ich, weil das Knarzen des brüchigen Holzes die anderen aufwecken würde.

„Was machst du hier mitten in der Nacht, Niklas?“, würden sie fragen und ich wüsste nicht, was ich antworten soll. „Opas Spuren durch das Haus verfolgen? Die für mich gelegten Rätsel aufdecken?“

Sie wären ganz aufgeregt und würden sagen: „Das müssen wir der Polizei melden. Vielleicht sind es Hinweise auf Opas Tod.“ Vielleicht finden sie dann die Leiche.

Mir läuft es eiskalt den Rücken hinunter. Nein, das sind meine Briefe. Ganz persönlich und nur für mich. Keiner darf davon wissen.

Ich taste mich vorsichtig an der Wand entlang. Das schwache Licht der Kerze lässt die mächtige, mit Ornamenten verzierte Holztür der Bibliothek noch gruseliger erscheinen. Aus Angst, dass mich jemand verfolgt, werfe ich einen Blick hinter mich. Alles ist schwarz und totenstill.


Dort, wo Geschichten in Seiten liegen, formte ich Träume der Zukunft.


Ich hatte mir die Worte, die Opa im Globus hinterlegt hatte, zigmal durchgelesen. Er musste damit die Bibliothek meinen. Im Inneren des großen Saales riecht es noch nach vergilbtem Papier. Ich schreite die hohen Regale entlang und erkenne zerfledderte Buchrücken.

Bei dem Sammelband Sherlock Holmes bleibe ich stehen. Opa hatte mir den Spitznamen „Sherlock“ gegeben, weil es seine Lieblingsbücher waren. Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und ziehe das Buch heraus. Ein Brief fällt aus dem Einband auf den Boden. Eilig bücke ich mich und lese im Kerzenschein:


Lieber Niklas alias Sherlock!

Ich wusste, dass Du mich gut genug kennst, um das richtige Buch zwischen all den anderen ausfindig zu machen. Wie oft saß ich als Kind hier und habe in Abenteuer- oder Detektivromanen geschmökert, doch Sherlock Holmes blieb mein Favorit. Mich beeindruckten seine genaue Auffassungsgabe und die Begeisterung für das Aufdecken von Geheimnissen. Meinem strengen Vater gefiel das gar nicht. Er versuchte, mich zu einem rational denkenden Erwachsenen zu erziehen, was ihm trotz strenger Maßnahmen misslang. Im Buch findest Du einen Hinweis, wo der nächste Brief versteckt ist.

Schnell werfe ich einen Blick in den Sammelband und erkenne hier und da ein paar Kreise um bestimmte Buchstaben. Ich weiß, was zu tun ist. Vorsichtig, aber gleichzeitig auch wahnsinnig aufgeregt, renne ich zurück ins Zimmer und setze mich an den Schreibtisch, um die hervorgehobenen Buchstaben aneinanderzureihen.

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