Projektdaten:

  • Titel: cringe
  • Bündnispartner 1: Kreatives Schreiben e.V., Seestraße 98, 13353 Berlin (Wedding)
  • Bündnispartner 2: Reformbühne Heim & Welt, Schönhauser Allee 26A, 10435 Berlin
  • Bündnispartner 3: Friedrich-Bödecker-Kreis im Land Berlin e.V., Falckensteinstraße 34, 10997 Berlin
  • AutorenpatInnen: 

    Rebekka Knoll, 1988 in Kassel geboren, studierte in Erlangen, Bern und Berlin. Sie hat bereits mehrere Romane und ein Jugendbuch veröffentlicht und wurde mit dem Kurd-Laßwitz-Stipendium der Stadt Gotha ausgezeichnet. 

    Der Autor und Vorleser Frank Sorge ist 1977 in Berlin geboren, und schreibt wöchentlich für die Lesebühne Brauseboys und die Reformbühne Heim & Welt. 

    Michael-André Fuchs, Autor, veröffentlichte unter anderem die Romane „Schwarzfahrer“ (2003) bei Aufbau Verlag und „Das Fallen“ (2020) bei Satyr. 2013 wurde er mit dem Weißen Raben Dresden ausgezeichnet. 

    Marion Hütter. Geboren 1968, studierte Journalismus und Deutsche Literatur. Arbeitet seit 20 Jahren als Journalistin und Autorin in Berlin und realisierte über 50 Fernsehreportagen und Magazinstücke für die Deutsche Welle aus dem In- und Ausland.

  • Zeitraum: 01.07.2023 – 31.08.2023
  • Format: Modul 4 (Kompaktmodul mit Übernachtung)
  • Ort: Berlin
  • Bundesland: Berlin

Downloads und Presselinks zur Autorenpatenschaft

Für diese Maßnahme ist auf Grund der kurzen Dauer keine Publikation vorgesehen. Texte und Bilder des Projektes finden Sie weiter unten.

Projektbeschreibung

Sprache ist in ständigem Wandel und jede Generation findet neue Begriffe und Redeweisen. Gesellschaftlicher Wandel verändert sprachliche Gewohnheiten und Konventionen. So ist auch das Schreiben vielen Veränderungen ausgesetzt, wie wir aus unterschiedlichen Perspektiven schreibender Professionen aktuell beleuchten wollen. ‚cringe‘ steht dabei nicht nur als aktuelles Jugendwort Pate, sondern auch inhaltlich für die sprachlichen Verwerfungslinien. Was ist peinlich? Meist, wenn man ‚von gestern‘ daherkommt, oder ein Verhalten zeigt, das überholt scheint und Fremdscham auslöst. Im Sinne von ‚erschaudern‘ und ‚zusammenzucken‘ markiert cringe auch die Aussagen, die im Zuhörer etwas auslösen, was wir für das Schreiben nutzen können.

In einer Ferienwerkstatt im Kurt-Löwenstein-Haus in Werftpfuhl/Werneuchen können Jugendliche von 12-18 Jahren unter Anleitung von beruflichen AutorInnen und unterstützenden WerkstattleiterInnen des Kreatives Schreiben e.V. vier Tage lang schreiben, diskutieren, hören und lesen, sich kennenlernen und austauschen.

Für jeden der Tage ist eine Autorin oder ein Autor eingeladen, das Programm mit einem eigenen Workshop zu gestalten, weitere AutorInnen werden für Lesungen und Diskussionsrunden. Unterstützt werden die AutorInnen durch unterschiedliche Honorarkräfte, sowie durch ehrenamtliche HelferInnen des Kreatives Schreiben e.V., die die Jugendgruppe vor Ort für die ganze Zeit betreut.
Die Werkstatt schließt mit einer gemeinsamen Lesung der Jugendlichen vor Ort, die auch per Livestream von Freunden und Verwandten verfolgt werden kann. Die Reformbühne bietet außerdem Interessierten die Möglichkeit, bis Ende des Jahres eigene Texte im Rahmen der wöchentlichen Veranstaltung vor Publikum zu lesen.

Bilder zur Autorenpatenschaft

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Texte der Autorenpatenschaft

DER PREIS 
Der Preis des Armseins ist schwer. Die Linie zwischen arm und reich ist oft soweit auseinander, wie die Spitze der Kiefer von dem Rasen auf der Erde. Jedoch bin ich lieber mein Leben lang arm, als mich dem reichen Leben hinzugeben. Aber wie soll ich dies überhaupt definieren? Arm sein. Ist es nicht einfach eine andere Art des Lebens? Bin ich denn wirklich arm, wenn ich kein Geld hab, ich dafür aber ein erfüllendes, glückliches Leben führe?
Nein, mein Mitleid haben die sogenannten Reichen, die zwar Geld haben, aber kein Glück im Leben finden. Denn was bringt es mir der reichste Mann der Welt zu sein, jedoch nicht das Leben gelebt zu haben? Mein Glück finde ich nicht im Reichtum des Geldes, ich finde es in Reichheit des Lebens und denke mir doch lieber: Das ist der Preis des Reichseins.

Lily Schwarz

EIN ABEND MIT ELEANOR 
Ich sitze auf dem Barhocker meiner Kücheninsel. Meine nackten Füße streichen das raue Holz des Hockers. Mein Blick auf die warm beleuchtete Küche mit dunklen Steinplatten, hängenden Regalen und Schubladen - befüllt mit meinen ordentlich sortierten Tellern, Tassen, Pfannen und Besteck. Hier habe ich mir heute Morgen mein Toast gestrichen und mittags Bananenbrot gebacken. Sie ist wunderschön und das Herz meiner Wohnung.
Gleich kommt Eleanor. Sie hat mir vor drei Minuten geschrieben, dass sie gerade aus dem Bus aussteigt. Die Station ist fünf Minuten von hier entfernt. Es klingelt. Draußen hat es geregnet und Eleanor betritt meine saubere Wohnung komplett durchnässt.
An ihren Schuhsohlen klebt grün-brauner Match. Ich umarme sie und frage wegen der großen Einkaufstüte in ihrer Hand. Sie lächelt breit und erzählt mir von ihrem Geschenk an mich zum Bestehen meiner Fahrprüfung.
Ich versuche mir die Unbequemlichkeit nicht anmerken zu lassen, aber der Gedanke an das Chaos, welches in wenigen Augenblicken in meiner Küche herrschen wird, lässt mich auf die Toilette entschuldigen. Ich wasche mein Gesicht. Eleanor will mir nicht sagen, was sie kocht, nur dass ich weggehen soll. Ich schaue besorgt auf die schon leicht verbrannten Zwiebeln in meiner großen roten Pfanne und will etwas sagen, als mich ihr warnender Blick trifft.
Nach einigen Minuten dieser Quälerei befördert Eleanor mich auf den Balkon. Die Luft ist kalt und eine zarte Brise kommt auf. Beim Einatmen sticht die Luft im Mund und Hals. Ich hoffe, es liegt am Kaugummi und nicht daran, dass ich mich erkälte. Die Balkonholzbalken sind auch kalt. Ich sitze auf dem Boden, meine Arme um meine Knie geschlossen, mit dem Rücken an der Wand und betrachte meine blau lackierten Fußnägel. An manchen Stellen
splittert der Nagellack ab. Hinter mir klirrt Geschirr und ich höre Eleanor laut fluchen. Ich lehne meinen Kopf nach hinten, schließe die Augen. Der Wind weht meine Haare in mein Gesicht. Ich spüre die Strähnen, die meine Haut streicheln. In meinem Kopf Leere. Irgendwo weit unten ertönt Gelächter. Ein weiterer Windstoß. Kalt.
Gänsehaut. Mein Atem tief, die Gedanken klar.

Avgusta Reznik

BRUNO IM BÜRO 
Bruno hat etwas vergessen, nur weiß er nicht mehr was. In letzter Zeit passiert ihm das öfters. Um ehrlich zu sein, er glaubt es liegt an den Chemtrails. Naja, egal.
Er setzt sich an seinen Arbeitsplatz, ein kleiner Holztisch mit einem PC. Ein Lenovo. Bruno erinnert sich an seinen ersten PC, ein Robotron 1715. Gutes Stück, damals im Osten. Er startet den PC, schon seit einigen Jahren hat er keine richtigen Aufgaben mehr, er öffnet Dateien in der Cloud und sortiert sie nach dem Alphabet.
„Genosse Krüger“, ruft er, nach seinem Kaffee greifend. „Wie nennt man einen traurigen Kaffee?“ Sebastian K. zuckt genervt mit den Schultern.
„Despresso!“, sagt Bruno und muss über seinen eigenen Witz lachen. Er trinkt einen Schluck, verbrennt sich die Zunge und lässt den Becher fallen, der Inhalt ergießt sich über seine Hose. Mit einem Ächzen erhebt er sich und trottet fluchend ins Bad.
Bruno betrachtet sich im Spiegel, er ist groß, durchschnittlich breit und etwas bleich. Die Beleuchtung ist gelblich, was auch seine Haut gelb scheinen lässt. Es erinnert ihn an Gelbsucht. Er kannte mal jemanden mit Gelbsucht, seine Frau, Miriam hatte das. Seine Gedanken driften ab.
Er denkt eine Weile über das Leben nach, den Tod, sein Leben, seinen Tod, ohne auf etwas hinauszukommen. Er schaut in den Spiegel, richtet sich seine spärlichen weißen Haare, säubert seine Brille. Er hat schon einige Falten, sie gefallen ihm, überhaupt findet er sich selbst äußerst attraktiv. Kein Wunder, dass er so viele Matches auf Tinder hat, es liegt aber auch daran, dass er monatlich für Platin zahlt. Trotz allem ist er nie auf ein Date gegangen. Was, wenn Miriam davon erfährt. Ach ja, jetzt erinnert er sich, Miriam ist schon vor Jahren verstorben. Aber was, wenn sie davon erfährt?
Wieder schweifen seine Gedanken ab. Miriam…
Sie hatte er nicht online kennengelernt, nein nein, damals gab es das gar nicht. Sie hatten eine Tochter, Anett. Kurz nach der DDR geboren, sein ganzer Stolz. In Deutschland lebt sie nicht mehr, mit 20 ist sie ausgezogen und wohnt jetzt mit ihrem Verlobten in Bulgarien. Bruno denkt oft an sie, wenn er zu Hause sitzt und Gewürzfleisch mit Feinfrostgemüse isst. Sie möchte ihn in ein Feierabendheim stecken, dabei ist er noch nicht mal in Rente.
Apropos Feierabend, Bruno packt seine Sachen und verlässt das Büro mit dem Gefühl, heute richtig produktiv gewesen zu sein. Abends setzt er sich hin, isst Gewürzfleisch mit Gemüse, wartet darauf, dass seine Frau heimkommt und denkt an seine Tochter.
Das fetzt…

Felix Stähle

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