Lebens(t)räume und Zufluchts(w)orte – Über Orte schreiben
Projektdaten:
- Titel: Lebens(t)räume und Zufluchts(w)orte - Über Orte schreiben
- Bündnispartner 1: Landgraf-Ludwigs-Gymnasium Gießen, Reichenberger Straße 3, 35396 Gießen
- Bündnispartner 2: Gefangenes Wort e.V., Wilhelm-Leuschner-Straße 3b, 35398 Gießen
- Bündnispartner 3: Friedrich-Bödecker-Kreis in Hessen e.V., Turmstraße 4, 35578 Wetzlar
- Autorenpate: Daniel Schneider (*1989) wuchs als CODA mit Gebärdensprache auf. Seit jeher an der Schnittstelle zwischen hörender und gehörloser Welt stehend, ist er ein aufmerksamer Beobachter seiner Umwelt und ihrer (zwischen)menschlichen Absurditäten.
Er studierte Anglistik, Germanistik sowie Romanistik in Gießen und Louvain-la-Neuve (Belgien). Es folgten u.a. ein Volontariat im Literarischen Zentrum Gießen sowie Aufenthalte als Universitätsdozent in Michigan (2016) und als Stipendiat des Hessischen Literaturrats in Bordeaux (2018). Von 2018 bis 2023 unterrichtete er englische Literatur an der Universität München. Seine Doktorarbeit führt den Genre-Begriff ‚Ding-Essay‘ ein. Seine Erzählungen und Essays wurden in verschiedenen Anthologien und Literaturzeitschriften veröffentlicht. Seit 2020 leitet Daniel Schneider im Rahmen der Initiative ‚Kultur macht stark‘ regelmäßig Schreibworkshops. 2023 entschied er sich vollends für die Freiberuflichkeit als Autor, Moderator, Übersetzer und freier Dozent. - Zeitraum: 01.01.2025 - 31.12.2025
- Format: Modul 1 (ganzjährig)
- Ort: Gießen
- Bundesland: Hessen
Downloads und Presselinks zur Autorenpatenschaft
Über nachfolgende Links können Sie sich Pressemitteilungen anschauen und das Buch mit den Projektergebnissen nach Fertigstellung als PDF runterladen. Zur Ansicht wird ein PDF Reader benötigt.
Download des Buchs (PDF)
Projektbeschreibung
Der Raum, in dem wir uns bewegen, beeinflusst uns unweigerlich: Dabei wird die Welt auf der einen Seite durch zunehmende Vernetzung und Globalisierung immer kleiner, auf der anderen Seite nehmen Bestrebungen zu, die das Lokale betonen - im Guten (z.B. bei der steigenden Bedeutung regional produzierter Lebensmittel) wie im Schlechten (z.B. im Erstarken nationalistischer Kräfte). Daneben wird der Planet Erde als unsere räumliche Lebensgrundlage durch den Klimawandel immer fragiler. Während vor rund 100 Jahren Zeit als das dominante Kulturphänomen empfunden wurde (etwa aufgrund beschleunigter Reisemöglichkeiten), scheint der Raum also - auch mehr als 30 Jahre nach Ausrufung des 'spatial turn' in den Kulturwissenschaften - das dominante existenzielle Koordinatensystem der heutigen Menschen zu bleiben.
In diesem Projekt wollen wir das Phänomen Raum daher unter vielfältigen Gesichtspunkten beleuchten und diskutieren: Was sind Lieblings- und Zufluchtsorte der Jugendlichen? Haben sie eigene Fluchterfahrungen oder spaltet sich ihr Heimatgefühl zwischen verschiedenen Ländern mit verschiedenen Kulturen - und wenn ja, inwieweit fassen sie ihre Migrationsgeschichte als biografische Qualität auf? Wie bedrohlich ist die Vernichtung des Lebensraumes der Menschen? Wie können Orte mit Bedeutung aufgeladen sein - etwa als 'Erinnerungsorte' (Pierre Nora)? Wie lebt es sich als Volk ohne eigenen Staat? Und wie wichtig ist es bei alldem, bei sich selbst zu Hause zu sein?
Den Jugendlichen soll dabei zunächst Input zu diesen Themen gegeben werden. Anschließend wird nach Verknüpfungen zu ihrer eigenen Lebenswelt gesucht, die sie dann - mithilfe des Autorenpaten und konkreten Formvorschlägen - in eigene Texte und Collagen verwandeln können. Zudem sollen neue Raumerlebnisse geschaffen werden, die dann ebenfalls literarisch-künstlerisch verarbeitet werden.
Bilder zur Autorenpatenschaft
Folgen
Texte der Autorenpatenschaft
Abecedarium der Orte
Arbeitsstelle, Apfelbaum, Arkadien, Abstellkammer, Ausland
Bett, Burg mit Burggraben, Balkonien, Buxtehude, Birnenbaum,
Berge, Brauerei, Bananenplantage, Bahnhof
Chaos, Citrusbaum, Circusmanege, Cyberspace
Dattelpalme, Dystopie, Drachenbrotbaum, Dönerladen
Elefantenklo, Eisdiele, Erdbeerfeld, Echokammer, Eskapismus,
Escape Room, Entenhausen
Flohmarkt, Freizeitpark, fliegender Teppich, Feigenbaum
Garten, Gipfel, Garage, Gleis 9 3⁄4, Granatapfelbaum
Heimat, Höhle, Hafen, Hängematte, Haselnussbaum, Hades
Indien, in einem anderen Land, Italien, Iglu, Ipanema
Jagdrevier, Johannisbeerstrauch
Kühlschrank, Küche, Kino, Klimakammer, Kirschbaum
Lagerfeuer, Landschaft, Lummerland, Limonadenbaum
Maisfeld, mein Zimmer, Mama, Maracujabaum
Nordpol, Nordstadt, Nacht, Nichts
Oase, Opa, Oper, Opelzoo, Orient, Orangenbaum
Papa, Parkplatz, Pommesbusch, Pizzeria, Pampa, Paradies
Quartier, Quelle, Queckborn, Quittenbaum
Reise, Reisfeld, Russland
Schule, Strand, Sommer, Skandinavien
Terrasse, Träume, Turnhalle, Traubenrebe
Urlaub, Unterschlupf, U-Bahn, Unterwelt
Versteck, Vogelsberg, Vogelbeere, Videospiel
Wohnzimmer, Wasserbett, Wald
Xylophonreparaturgeschäft
Yosemite-Nationalpark
Zoo, Zypresse, Zuhause
Alle
Du sagst es mir nicht
Wieso sagst du es mir nicht?
Ich spüre, wie ein Faden an einer langen Nadel
durch mein Herz gezogen wird.
Meine Augen verengen sich, und mir wird übel.
Ich verstehe dich nicht mehr.
Ich habe dir gesagt,
zu vertrauen fällt mir schwer.
Nun fühlt es sich an, als hättest du mein Herz
wie Knete zusammengedrückt –
und hineingestochen.
Mich dir wieder öffnen? Das werde ich nicht mehr.
Sag es mir, oder auch nicht.
Mein Herz sticht – und trotzdem
will ich dich nicht verlieren.
Anonym
Am Rande des Sees
An einem Freitagabend geht sie durch die Straßen. Plötzlich läuft ein gruselig aussehender großer, weißgekleideter Mann an ihr vorbei. Sie schaut ihn an und er sie. Zu Hause geht sie schlafen, ohne weiter über diese komische Begegnung nachzudenken.
Am nächsten Tag, frühmorgens auf dem Weg zur Arbeit, kommt der weißgekleidete Mann auf sie zu und zerrt sie am Rande des Sees in ein kleines Boot. Er fährt mit ihr zu einer Insel mit einem großen und unheimlichen Haus, wo er sie in ein kleines Zimmer sperrt. Sie liegt den ganzen Tag über da und fragt sich, warum all das geschieht. Aus dem Fenster sieht sie nichts außer großen Bäumen. Sie klopft an der Tür, doch keiner macht auf.
Am nächsten Tag klopft sie wieder an der Tür, doch erneut öffnet niemand. Aber als sie mit dem Fuß dagegentritt, öffnet sich die Tür. So schnell sie kann läuft sie die Treppe runter, stürzt dabei jedoch mit einem Knall auf den Boden. Schnell kommt jemand angelaufen, doch sie springt ins Wasser, schwimmt mehr als zwei Stunden lang und schafft es so zu entkommen.
Seitdem verlässt sie ihr Haus nur noch in Begleitung. Immer, wenn sie am Rande des Sees vorbeikommt, fühlt sie einen kalten Windhauch.
Alicia
Leuchtfigur
Die Insel scheint eine Art Zufluchtsort für Tote zu sein – vielleicht das Tor zum Himmel? Oder die letzte Ruhestätte der Toten? Eine abgelegene Insel, die gar nicht auf dem Planeten Erde existiert? Die Vorstellung, die sich der Maler über die Reise ins Totenreich, in den Himmel oder in die Unterwelt macht?
Für mich war das „Himmelstor“ früher immer eine lange, hell leuchtende Glastreppe, die in wunderschöne weiße Wolken führt. Doch auf diesem Bild erscheint alles dunkler, man könnte annehmen, dass einen etwas Schlimmes auf der Insel erwartet. Nur die Person im weißen Umhang leuchtet leicht auf, irgendwie hoffnungsvoll. Ihr weißer Umhang erinnert mich an den Himmel bzw. an Gott.
Zumindest habe ich Gott, die Engel, den Himmel oder das Paradies immer mit hellen Farben verbunden. Doch dass die Mitte der Insel so dunkel und schwarz ist, dass man nichts erkennt, deutet auf das Ungewisse hin. Vielleicht tagt hier das Jüngste Gericht, Dunkel und Hell treffen aufeinander. Welche Seite gewinnt?
Paula Becker

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